The Erosion of Italian Regionalism

(published on 31 October 2019 on https://verfassungsblog.de/the-erosion-of-italian-regionalism/)

Elections in the small, peaceful, politically stable region of Umbria in central Italy normally go rather unnoticed. Since its establishment in 1970, the region, which now counts some 880.000 inhabitants, has always had a clear leftist majority. So far, it has been governed uninterruptedly first by the communist party and, since the 1990s, by its successors. Together with Tuscany and Emilia-Romagna, Umbria has been one of the historical strongholds of the Italian left, a model in terms of good administration, social cohesion and quality of life. When it was excluded from the national government, the left used the success story in Umbria and other regions as a showcase of its political ability and reliability.

The attention given to the regional elections in Umbria didn’t change when the direct election of regional presidents was introduced in 1995 (and constitutionalized in 1999), making Italy the only European country with a presidential system at regional level. For the past two decades, the only electoral thrill in the region  was the amount of votes and the broader or smaller margin in favour of the presidential candidate from the leftist coalition.

All of a sudden at the end of this summer, the usually low-key election of this fortunate region with a rather unspectacular political system brought Umbria into the spotlight of national politics. In Rome, the coalition between Matteo Salvini’s right wing Lega and the populist Five Stars Movement had collapsed, due to the former’s desire to capitalize its growing popular support especially on an anti-immigration agenda. To avoid snap elections that would most likely have made the Lega the first party in Parliament, a new political coalition was formed, under the same Prime Minister Giuseppe Conte. Now the junior partner of the Five Stars Movement is the moderate leftist Partito Democratico, from which its former leader and former Prime Minister Matteo Renzi split to form his own party, Italia Viva, – a move that allows Mr Renzi to support the government but to control its life: should he leave the coalition, it would no longer have a majority in Parliament. Continue reading

Warum einfach, wenn es kompliziert auch geht?

(veröffentlicht am 26. Dezember 2017 auf http://verfassungsblog.de/doppelpass-fuer-suedtiroler/ unter dem Titel „Doppelpass in Südtirol?”)

Wer weiß, ob aus der Idee der doppelten Staatsbürgerschaft überhaupt was wird, das Porzellan wurde inzwischen aber schon zerschlagen. In ihrem Regierungsabkommen nehmen die ÖVP und die FPÖ in Aussicht, „den Angehörigen der Volksgruppen deutscher und ladinischer Muttersprache in Südtirol (…) die Möglichkeit einzuräumen, zusätzlich zur italienischen Staatsbürgerschaft die österrreichische Staatsbürgerschaft zu erwerben”. Das Thema ist ein Dauerbrenner. Die Südtiroler Volkspartei (SVP) übt sich seit Jahren in diesem Lippenbekenntnis und auch ihre Schwesternpartei ÖVP war dem Thema nie abgeneigt. Gewiss, man war sich dabei stets darüber einig, dass die Prioritäten anderswo liegen würden und dass die politischen Bedingungen zur Verwirklichung dieser „Herzensangelegenheit” – wie sie die SVP offiziell und liebevoll bezeichnet – nicht gegeben sein würden. Nicht zuletzt auch, weil andere Parteien in Österreich zauderten.

Jetzt weht ein anderer Wind. Österreich ist bei den Wahlen im September und dann vor allem bei der Bildung der Koalitionsregierung zwischen der ÖVP und der nationalliberalen FPÖ deutlich nach rechts gerückt. Während bei derselben Regierungskonstellation im Jahr 2000 noch europaweit Aufschreie zu hören waren und EU-Sanktionen gegen Österreich nicht lange auf sich warten ließen, hält der Parteiobmann der FPÖ, Heinz-Christian Strache, heute das Amt des Vizekanzlers inne und seine rechtspopulistische Partei leitet obendrein die Bundesministerien für Inneres, Äußeres, Landesverteidigung, Infrastruktur, Gesundheit und Soziales. Seit Langem macht die FPÖ den sezessionistischen Parteien in Südtirol Hoffnung für den zweiten Pass und hat dieses Versprechen auch beim Verfassen des Koalitionsprogramms nicht vergessen. Der österreichische Vorstoß hat die SVP sichtlich in Verlegenheit gebracht, schließlich läutet nicht nur Italien laut die Alarmglocken und vor allem besteht die Gefahr, dass das Zusammenleben in Südtirol völlig aus dem Gleichgewicht geworfen werden könnte.

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Bewunderung ohne Liebe und die Kunst des Übertreibens: die italienischen Reaktionen auf die deutsche Bundestagswahl

(veröffentlicht am 28. September 2017 auf http://verfassungsblog.de/bewunderung-ohne-liebe-und-die-kunst-des-uebertreibens-die-italienischen-reaktionen-auf-die-deutsche-bundestagswahl/)

Deutschland ist der größte Handelspartner Italiens, und auch auf politischer und kultureller Ebene sind die Beziehungen sehr innig. Die Schicksale der beiden Länder sind seit jeher sehr eng miteinander verwoben. Gleichzeitig hat man wenig Verständnis füreinander und die gegenseitige Wahrnehmung ist sehr von Stereotypen geprägt[1]. Dies gilt beidseits der Alpen. Um bei einem viel zitierten Spruch zu bleiben: Die Italiener schätzen die Deutschen, lieben sie aber nicht. Die Deutschen lieben die Italiener, schätzen sie aber nicht.

Die Reaktionen der italienischen Politik auf die Ergebnisse der Bundestagswahl vom 24. September haben sich vorrangig auf die möglichen innenpolitischen Folgen konzentriert. Die offizielle Stellungnahme des Ministerpräsidenten Gentiloni war sehr vorsichtig, wie es von seiner institutionellen Funktion, aber auch von ihm als Person nicht anders zu erwarten war: Gentiloni wünsche sich eine Fortsetzung der erfolgreichen Zusammenarbeit mit Angela Merkel im Zeichen der Verstärkung der europäischen Integration[2]. Die Vertreter der verschiedenen politischen Lager haben wie immer versucht, das Wahlergebnis in Deutschland zu ihren Gunsten auszulegen, und sich in der Analyse mehr auf den Wahlkampf in Italien fokussiert, der praktisch bereits im Gange ist, als auf jenen, der in Deutschland soeben beendet wurde. Der Parteiobmann der Lega Nord Salvini hat den Erfolg der AfD gefeiert, während Berlusconi Merkel seine völlige bedingungslose Unterstützung zugesichert hat[3], und dies obwohl ihre Beziehung in Vergangenheit nicht wirklich mit Harmonie gesegnet war. Aber schließlich muss er sich ja von der Lega Nord distanzieren, die auf dem Papier als sein theoretischer Bündnispartner gehandelt wird und mit der er sich gerade um die Rolle als Zugpferd des (Mitte-)Rechts-Lagers streitet. Die 5-Sterne-Bewegung rühmt sich damit, der Deich gegen den Rechtsextremismus in Italien zu sein. Links hingegen schämen sich alle im Stillen für das bescheidene Abschneiden der SPD. Einzige Ausnahme ist der ehemalige Staatspräsident Giorgio Napolitano, der kein Blatt vor den Mund nimmt und die Schuld an der allgemeinen Krise der sozialdemokratischen Politik in Europa frank und frei den – im Vergleich zur Vergangenheit – schwachen Leitfiguren zuschiebt[4].

Die Kommentare in den großen Zeitungen der meistgehörten wirtschaftlichen und intellektuellen Elite kann man in drei Kategorien und Haltungen einteilen.

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