(veröffentlicht am 28. September 2017 auf http://verfassungsblog.de/bewunderung-ohne-liebe-und-die-kunst-des-uebertreibens-die-italienischen-reaktionen-auf-die-deutsche-bundestagswahl/)
Deutschland ist der größte Handelspartner Italiens, und auch auf politischer und kultureller Ebene sind die Beziehungen sehr innig. Die Schicksale der beiden Länder sind seit jeher sehr eng miteinander verwoben. Gleichzeitig hat man wenig Verständnis füreinander und die gegenseitige Wahrnehmung ist sehr von Stereotypen geprägt[1]. Dies gilt beidseits der Alpen. Um bei einem viel zitierten Spruch zu bleiben: Die Italiener schätzen die Deutschen, lieben sie aber nicht. Die Deutschen lieben die Italiener, schätzen sie aber nicht.
Die Reaktionen der italienischen Politik auf die Ergebnisse der Bundestagswahl vom 24. September haben sich vorrangig auf die möglichen innenpolitischen Folgen konzentriert. Die offizielle Stellungnahme des Ministerpräsidenten Gentiloni war sehr vorsichtig, wie es von seiner institutionellen Funktion, aber auch von ihm als Person nicht anders zu erwarten war: Gentiloni wünsche sich eine Fortsetzung der erfolgreichen Zusammenarbeit mit Angela Merkel im Zeichen der Verstärkung der europäischen Integration[2]. Die Vertreter der verschiedenen politischen Lager haben wie immer versucht, das Wahlergebnis in Deutschland zu ihren Gunsten auszulegen, und sich in der Analyse mehr auf den Wahlkampf in Italien fokussiert, der praktisch bereits im Gange ist, als auf jenen, der in Deutschland soeben beendet wurde. Der Parteiobmann der Lega Nord Salvini hat den Erfolg der AfD gefeiert, während Berlusconi Merkel seine völlige bedingungslose Unterstützung zugesichert hat[3], und dies obwohl ihre Beziehung in Vergangenheit nicht wirklich mit Harmonie gesegnet war. Aber schließlich muss er sich ja von der Lega Nord distanzieren, die auf dem Papier als sein theoretischer Bündnispartner gehandelt wird und mit der er sich gerade um die Rolle als Zugpferd des (Mitte-)Rechts-Lagers streitet. Die 5-Sterne-Bewegung rühmt sich damit, der Deich gegen den Rechtsextremismus in Italien zu sein. Links hingegen schämen sich alle im Stillen für das bescheidene Abschneiden der SPD. Einzige Ausnahme ist der ehemalige Staatspräsident Giorgio Napolitano, der kein Blatt vor den Mund nimmt und die Schuld an der allgemeinen Krise der sozialdemokratischen Politik in Europa frank und frei den – im Vergleich zur Vergangenheit – schwachen Leitfiguren zuschiebt[4].
Die Kommentare in den großen Zeitungen der meistgehörten wirtschaftlichen und intellektuellen Elite kann man in drei Kategorien und Haltungen einteilen.