Francesco Palermo: “In die Falle getappt”

(Interview von Matthias Kofler, veröffentlicht in der Neuen Südtiroler Tageszeitung, 30. September 2017, S. 2-3)

Tageszeitung: Herr Senator, die Katalanen wollen am Sonntag in einer Volksabstimmung über ihre Unabhängigkeit von der spanischen Monarchie abstimmen. Wird das Referendum überhaupt stattfinden?

Francesco Palermo: In irgendeiner Form schon! Ich bezweifle aber stark, dass man mit diesem Referendum zu einem vernünftigen Ergebnis kommen kann auch wenn die katalanische Regierung mit aller Kraft versuchen wird, eine gewisse Legitimation für das Referendum zu schaffen.

Sie sind gegen das Referendum?

Ich persönlich bin absolut nicht gegen die Unabhängigkeit, aber gegen dieses Referendum ich vertrete also die gegenteilige Meinung der meisten anderen (lacht). Es ist heutzutage durchaus möglich, dass sich neue Staaten bilden. Dies muss aber in einem verfassungsrechtlichen und in einem verfahrensrechtlichen Prozess geschehen. In Katalonien ist dies nicht der Fall! Auch wenn das Referendum am Sonntag reibungslos ablaufen würde, kann es nicht klappen, weil ihm der verfassungs- und verfahrensrechtliche Rahmen fehlt. Man kann nicht von einem Tag auf den anderen ein Unabhängigkeitsreferendum ohne Quorum und ohne qualifizierte Mehrheit abhalten, weil dieses keine demokratische Legitimation hätte. Hier wird eine Art „golpe“ (spanisch für Staatsstreich), ja eine Revolution durchgeführt.

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Präsizierung

Nach vier Jahren im Senat muss ich feststellen, dass ich den Umgang mit den Medien noch nicht gelernt habe. Und dafür übernehme ich auch die Verantwortung. Gestern (29. Mai 2017) habe ich im Tageszeitung-Interview mehrfach betont, dass ich den Konvent nicht als gescheitertes Experiment empfinde, ganz im Gegenteil. Die Titelgeschichte (30. Mai 2017) lautete dann allerdings „Dieser Konvent ist gescheitert“. Darüber war ich verwundert, auch wenn im Interview meine nuancierten Gedanken schon besser wiedergegeben wurden.

In letzter Zeit stellen viele Medienberichte den Autonomiekonvent als gescheitert dar. Dabei wird oft nicht differenziert. Ich möchte unterstreichen, dass die angewandte Methodik gut funktioniert hat. Der Konvent hat uns einen Spiegel der Südtiroler Gesellschaft vorgehalten und dabei auch deren Grenzen aufgezeigt: mangelnder Rückhalt und Mut seitens der Regierungsparteien, ein Übergewicht der „patriotischen“ Themen, wenig Lust – vor allem bei der italienischsprachigen Bevölkerung – sich einzubringen und vor allem ein fehlendes Bewusstsein dafür, dass ein veraltetes Autonomiestatut in Zukunft negative Auswirkungen auf Südtirol haben könnte.

Scheinbar ist es für viele Teilnehmer und Beobachter leichter, den Autonomiekonvent als Sündenbock darzustellen, anstatt dass wir uns als Gesellschaft schmerzhafte Fragen stellen.

Aber ja, komplexe Themen sind in der Politik wenig beliebt, da nicht so leicht vermittelbar. Da bleibt auch die Unterscheidung zwischen Methode und Inhalt auf der Strecke. Als ich sagte, dass meiner Meinung nach im Autonomiekonvent symbolische Themen wie Kruzifix, Präambel und Sezession zu viel Aufmerksamkeit bekommen haben und die echten Prioritäten wie Kompetenzverteilung und institutionelle Organisation unterschätzt wurden, heißt es bei weitem nicht, dass der Autonomiekonvent als Ideenschmiede versagt hat. Ganz im Gegenteil. Wir sollten die Ergebnisse des Konvents abwarten. Es gibt sicher auch bei vielen Themen einen Konsens. Nicht bei allen, aber in einer so heterogenen Gesellschaft wie Südtirol war das vorhersehbar und ist auch richtig so. Ich wünsche uns die Weitsicht, diese ohne Polemik anzuerkennen und zu bewerten. Weil wir sollten uns als Südtiroler Gesellschaft die Frage stellen, ob wir es uns leisten können, das Autonomiestatut nicht zu modernisieren. Darin liegt nämlich mein Bedenken für die Zukunft.

Francesco Palermo

“Renzi will Neuwahlen” (Neue Südtiroler Tageszeitung, 25. Juli 2014)

Neue Südtiroler Tageszeitung 20140725
(erschienen in der Neuen Südtiroler Tageszeitung vom 25. Juli 2014)

Tageszeitung: Herr Senator, den Augusturlaub können Sie streichen.

Francesco Palermo (lacht): Ich hatte für August keinen Urlaub geplant, ich bin, erstens, kein Urlaubspezialist. Zweitens kann man als Akademiker im August gut wissenschaftlich arbeiten, weil man keine Vorlesungen und Sitzungen hat. Schlimmstenfalls muss ich einige Publikationen streichen.

Die Verfassungsreform lähmt den Senat, am Mittwoch wurden drei von über 7.800 Abänderungsanträgen behandelt…

… und heute (gestern, Anm. d. R.) haben die Fraktionssprecher eine Limitierung der Redezeiten beschlossen. Damit müssten wir in rund 150 Stunden alle Abänderungsanträge abarbeiten können. Allerdings: Die Opposition macht jetzt, wie Sie im Hintergrund sicher gut mithören können, Krieg!

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